Eine Suche, die gerade ob der Hilflosigkeit dem Weltgeschehen gegenüber, brandaktuell erscheint. Ist doch das Gefühl der Unsicherheit auch hierzulande groß. Die anhaltenden Migrationsbewegungen, Angst vor Verlust des sozialen Status, das erneute Aufkeimen von autoritären Regimen – all das wirkt beängstigend und böte jede Menge prägnante Themen, denen sich ein Festival zur zeitgenössischen Kunst annehmen könnte. Wählte man letztes Jahr mit „Tomorrow Today“ ein Motto, das mit starkem Fokus auf das die Welt beherrschende Kapital direkt und komplex in das Welt- und Kunstgeschehen sprang (und das letztendlich nicht eingehalten wurde) so nimmt sich das diesjährige Motto des Galerienfestivals auf den ersten Blick zwar aktuell aber vergleichsweise harmlos aus.

Mit „Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht“ reflektiert Poptheoretiker und Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen – der heuer den Impulstext zum Festival lieferte – auf das Verhalten vieler junger Künstler, auf Vorgänger zu verweisen und sich selbst in die (Kunst)Geschichte einzubetten. Eine Praxis, die insofern diskussionswürdig erscheint, da es in der Avantgarde üblich war mit Vorgängergenerationen radikal zu brechen. Bürgerlicher, in der westlichen Kunsttradition verankerter Background, oder von der Geschichte marginalisierter Außenseiter – das Phänomen sich Vorbilder zu suchen scheint heute, aus welchen Gründen auch immer, weltumspannend. „Ob meine Geschichte nun von einer externen Position beginnt oder von einer internen: in jedem Fall besorge ich mir einen radikalen Großvater“, so Diederichsen.

Von Hommage und Anti-Hommage

Eine Auswahl dieser von Diederichsen zur Adoption freigegebenen radikalen (Groß)Väter lässt sich seinem Text folgend dann auch in den diversen für das Festival von internationalen Kuratoren zusammengestellten Galerie-Ausstellungen finden. Sei es im Spiel mit Hommagen oder auch in der kritischen Auseinandersetzung in Form einer Anti-Hommage wie sie unter anderem in der Galerie Janda zu finden ist. Die Negativ-Verweise reichen hier vom Knebelvertrag der Agrarfirma Monsanto über ein Blumenbouquet, das eine Dame des viktorianischen Zeitalters ob seiner düsteren Symbolsprache in Ohnmacht fallen hätte lassen, bis hin zum Wörterbuch, das auf das Aussterben einer brasilianischen Ureinwohnersprache verweist.

Als gleichsam interessante wie nachdenklich stimmende Geschichtsstunde gestaltet sich auch ein Rundgang in der Galerie Engholm zu einer Auswahl an Dokumentationen zu Performances von Künstlern aus den ehemaligen Diktaturen Chiles, Argentinien und Brasilien. Viele der Arbeiten, die oftmals von der Angst vor Verhaftungen überschattet waren, zeigen die Gewalt des Staates und sind heute für junge Künstlergenerationen wegweisend. Kuratiert wurde die Schau von Heike Murder, die sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema künstlerische Strategien des Widerstands in lateinamerikanischen Diktaturen auseinandersetzte.

Idole eines Jugendzimmers

Für die Präsentation in der Crone Galerie, die heuer erstmalig am Festival teilnimmt, holte man sich – etwas ungewöhnlich – den deutschen Adidas-Kreativdirektor Dirk Schönberger. Die Väter-Generation wird hier aus Sicht von Jugendlichen zu Idolen heroisiert. In der Installation „Jugendzimmer“ finden sich Werke von Andy Warhol ebenso wie ein von Albert Oehlen bemaltes Skateboard. Als Kontrastprogramm läuft ein Film des syrischen Künstlers Ammar al-Beiks über die Jugendlichen im Krieg in Aleppo.

Mit junger Kunst aus Bangladesch beschäftigt sich hingegen die von Diana Campbell Betancourt kuratierte Schau in der Galerie Krinzinger. Eine der wenigen Solo-Präsentationen erwartet die Besucher in der Galerie Steineck, die eine Auswahl von Werken der Künstlerin Jana Sterbak zeigt. Bekannt wurde die 1955 in Prag geborene Künstlerin durch ihr Fleischkleid aus dem Jahr 1987, lange bevor Lady Gaga mit einem ähnlichen Stück für Aufsehen sorgte. Alleine schon deshalb lohnt sich ein Besuch. Generell bietet das heuer zum achten Mal stattfindende Galerienfestival eine gute Gelegenheit die Wiener Galerienszene kennenzulernen. Kostenlose Führungen sorgen zudem für verminderte Schwellenangst.

curated by_vienna
Meine Herkunft habe ich mir selbst ausgedacht
noch bis 15. Oktober 2016
in 19 Galerien der Stadt
Öffnungszeiten: Di bis Fr 11.00 bis 18.00 Uhr und Sa 11-00 bis 15.00 Uhr
Kostenlose Führungen am Wochenende
https://wirtschaftsagentur.at/kreativwirtschaft/curated-by-vienna/curated-by-vienna-2016/

©Fotos: curated by und esel

Geschrieben von Sandra Schäfer